Der Wal von Baltrum
Ein Erlebnisbericht
Auf einer Sandbank (Norder Riff) an der Küste der Insel Baltrum, fanden Fischer am 4.11.1994 einen noch lebenden Pottwal.
Nach einigen vergeblichen Versuchen den Wal wieder ins offene Meer zu ziehen, verendete das Tier. Der tote Körper wurde am 5.11 von dem Seenotrettungsboot "Otto Schülke" nach Norddeich geschleppt. Am Sonntag gegen 17.00 Uhr begann man mit den Vorbereitungen zu den Bergungsarbeiten, um den leblosen Körper aus seinem Element zu holen. Viele hundert Schaulustige, Rundfunk und Fernsehen säumten sich an den Ufern des Hafens.
Regungslos lag der tote Pottwalbulle, festgemacht mit zwei Stahlseilen, die um seinen Körper geschlungen waren, eingeklemmt zwischen Kaimauer und Rettungsboot, im Osthafen von Norddeich.
Durch den bereits begonnenen Verwesungsprozess strömten heiße Gase aus dem Mund des Tieres, die das noch ständig daraus fließende Blut zum brodeln brachten. Ein leichter Verwesungsgeruch lag über das mit Blut durchtränkte und verfärbte Hafenwasser. Einige Leute neben mir sprachen schon von einem bestialischen Gestank.
Ein grauenhafter Anblick - ich stellte mir vor, dass dieser Riese noch vor einigen Tagen in uns unbekannten Tiefen der Weltmeere bis zum Rand des Polareises schwamm und nach Nahrung suchte.
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Der Wal wird gehoben
Da lag er nun, der über 15 Meter große und 39 Tonnen schwere Wal. In seinem eigenen Blut schwimmend, machten sich Feuerwehrleute und Besatzungsmitglieder des Rettungsbootes an ihm zu schaffen.
Die Drahtseile wurden durch Spezialgurte ersetzt und umschlangen nun seinen Körper. An einem langen Eisenträger, der am Arm des bis zu 300 t hebenden Krans befestigt wurde, klinkten die Helfer die Gurtenden in die Schellen ein. Irgendwer erteilte dem Kranführer das Kommando zum anheben; langsam zog man jetzt das Tier aus seinem Element. Kurz bevor der Wal über den Wasserspiegel angehoben war, glitt er kopfüber, als wollte er wieder zurück ins Wasser, aus den Gurten. Der mächtige Körper bebte und mit donnerndem Getöse knallte er aufs Wasser. Erneut machte man sich daran, die Tragegurte zu positionieren und wiederholte den Hebeversuch.
Foto: Archiv
A. Schmidt
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Noch einmal, bei dem zweiten Hebemanöver glitten die breiten Gurte am Walkörper entlang zu seiner Fluke, wo sie hängen blieben. Der dritte Versuch - diesesmal hatte man den Schwerpunkt wohl richtig ermittelt und langsam erhoben sich die schweren Massen aus dem Wasser. Auf einer riesigen schwarzen Plastikplane ließ man den Walkörper nieder. Wie auf einem Leichentuch lag der massige Körper nun da. Erleichtert applaudierten die vielen Hundert Schaulustigen zu dem endlich gelungenem Manöver. Die Menschenmengen waren nun nicht mehr zu halten und stürmten auf den Wal zu. Einige rutschten auf der undefinierbaren Flüssigkeit, die aus dem Kadaver tropfte, aus.
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Explosionsgefahr
Schon am nächsten Tag machte man sich daran, den Wal zu zerlegen. In den regionalen Rundfunknachrichten hörte man stündlich von der "Explosionsgefahr", die von dem sich zersetzenden Körper des Wals ausging. Durch die entstehenden Faulgase (Methangas) drohte angeblich der Körper des toten Tieres zu zerplatzen. Um die Gase entweichen zu lassen, wurden von Männern in Ölzeug, handtellergroße Löcher in den Wal gebohrt. Anschließend wurden lange Eisenrohre in die Öffnungen gerammt. Auch die über zwei Meter große Fluke wurde mit einer Kettensäge abgetrennt, um von dort aus die Faulgase entweichen zu lassen.
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Die Verwertung des Körpers
Der Kadaver wird aufgeschnitten, zerlegt und Brockenweise von einem Traktor in Container gekippt. Ca. fünf der 10 Tonnen-Behälter sind nötig um das Fleisch zur Tierkörperverwertung nach Friesoythe zu bringen. Dort wird das Fleisch mit dem geschrotetem Fleisch anderer Tiere vermengt und zu Fleischmehl verarbeitet. Biologen und Wissenschaftler hatten zwischenzeitlich großes Interesse an Teilen des Walkörpers bekundet. So wurde beispielsweise das "kollabierte" Herz an die Wissenschaftler vom "Anatomischen Institut der Universität Heidelberg" vergeben. Das ca. 90 Kubikzentimeter große Herz soll dort mittels einer speziellen Präparationstechnik "Plastination", konserviert werden. Diplom-Meeresbiologe Pek van Andel von der Universität Groningen (Niederlande), nimmt ein Wal-Auge mit nach Holland. Das Skelett schließlich wird im Nationalpark-Zentrum Wilhelmshaven ausgestellt werden.
Über die Todesursache des Pottwals berichtete die Regionalpresse, dass durch die Befreiungsversuche des Wals die Regulationsmechanismen des Körpers zusammengebrochen sind. Der Wal bekam einen Schock, das Herz versagte, er kippte auf die rechte Seite und ertrank.
Inzwischen trafen am 16. Mai 1997 die plastinierten Organe des Baltrumer Pottwals in Wilhelmshaven ein.
Die Walorgane wurden von Prof. Dr. Gunther von Hagens an der Universität Heidelberg für die Nachwelt haltbar gemacht.
In einem speziellen Vakuumverfahren werden Kunststoff-Füllungen in die Zellmembranen gebracht. Auch nichtbiologisches Material kann so konserviert werden.
Das Herz wurde zur Reinigung mit Aceton durchtränkt und eine Formalinlösung zur Vorbereitung ins Herz gegeben. Anschließend wurde unter niedriger Temperatur das Vakuumverfahren durchgeführt. Nach der Fertigstellung bleiben die präparierten Organe elastisch bis sehr flexibel, je nach Weichmacherzugabe
Der Professor, Erfinder der Plastination, brachte das ca. einen Kubikmeter große Herz, den mehr als zwei Meter großen Penis und den riesigen Bronchialbaum mit den feinen Verästelungen, in die Jadestadt.
Damit besitzt Wilhelmshaven jetzt nicht nur die einzigen konservierten und präparierten Walorgane weltweit, sondern auch die größten Weichteile überhaupt, die auf diese Weise präpariert wurden. Seit Juli 97 sind diese Teile zusammen mit dem Skelett des "Baltrumwals" in dem sogenannten Zeiss-Gebäude zu sehen.
Nachtrag vom 28.05.2001
Anfang Mai 2001 wurde das Skelett des Wals in das Küstenmuseum in Wilhelmshaven transportiert. Dort soll der Pottwal das Herzstück der Ausstellung "wal.welten" bilden. Ab dem 2. Juni 2001 zeigt die Ausstellung die größten plastinierten Organe der Welt und gibt einen Einblick in Evolution und Biologie des Wals.
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