"Seehundsjagd an der Küste Ostfrieslands"

A. Schmidt

Die Jagd auf Seehunde um die Jahrhundertwende. Berichtet nach alten Originaltexten

Von großem allgemeinen Interesse war um die Jahrhundertwende die "Seehundsjagd". Viele Berichte aus der Vergangenheit belegen, dass die Seehundsjagd mit Touristen auf den ostfriesischen Inseln schon damals zum Kurbetrieb gehörte. Aber es wurde auch professionelle Seehundsjagd betrieben.

Nachstehend u.a. einige Auszüge aus den Originaltexten einiger Badegäste, die an der damaligen "Seehundsjagd" beteiligt waren.  

Seehunde vor der ostfriesischen Küste 

"Blicken wir über den Deich hinweg in das Wattenmeer hinein, so treffen wir dort von den Flossensäugetieren den Seehund an. Derselbe kommt an unserer ganzen Inselküste und auf den Sandplaten des Watts und der Emsmündungen vor". "Da sieht man den Urtzel oder grauen Seehund »Halichoerus gryphus« in dem bekannten Robbenkleide: auf silberweißem oder blassaschgrauem, auch stahl- oder schwarzgrauem Grunde unregelmäßige schwarze Flecken, weiße Schnurrhaare und fast nackte Schwimmhäute an den Füßen. Er ist recht selten und erreicht eine bedeutende Größe, so dass er mit den anderen Arten nicht verwechselt werden kann". "Am häufigsten aber sieht man den gemeinen Seehund, »Phoca vitulina« manchmal schwärzlich und weißlich, manchmal graubraun oder gelbgrau gesprenkelt, auf dem Rücken gewöhnlich ungefleckt, mit einem blassen Ring um das Auge und mit weißen, kurzen, braun gewellten Schnurren". "Die außerordentliche Schärfe seines Gehör- und Geruchssinnes muss dem Seehund das mangelhafte Gesicht ersetzen; denn infolge seines Aufenthaltes in der meist trüben Salzflut, ist die Linse seiner Augen sehr gewölbt, ja kugelig geworden, weshalb er außerhalb des Wassers kurzsichtig ist". "Die schönen klugen, im tiefsten schwarz glänzenden Augen dieser Tiere machen einen so freundlichen Eindruck, dass man es denselben nicht verübelt, wenn sie sich durch kräftige Bisse des sie überrumpelnden Jägers erwehren oder ihr heil in der Flucht suchen." 

Von Nimrods und Hobbyschützen 

Besonders die Bootsleute jener Inseln wussten immer viel und gern von den Seehunden zu erzählen und versuchten mit sämtlichen Mitteln den Badegästen die Jagdpartien auf Seehunde schmackhaft zu machen. Schließlich verdienten sie an einem Jagdausflug nicht gerade wenig. Vielfach haben sie den unkundigen und eifrigen Hobby-Jägern nach mehrstündiger "Seehundsjagd" sogar überhöhte Preise abgefordert. "Die Jagd auf Seehunde gehörte mit zu den Hauptvergnügungen der Nimrods (leidenschaftliche Jäger) unter den Badegästen. Jedoch war die Seehundsjagd keineswegs einfach, sie erforderte genaue Kenntnis der Tiere und ihrer Lebensgewohnheiten". Trotzdem war es sehr selten, dass ein ungeübter Jäger wirklich einen Seehund erlegte, und viele hundert Schüsse wurden jeden Sommer auf den ostfriesischen Inseln vergeblich abgefeuert, bis ein einziges Tier wirklich erlegt war. So heißt es in einem alten Bericht: "Diese einzelnen Seehunde sind gewöhnlich eben so wachsam wie schlau und wissen stets zur rechten Zeit unterzutauchen, bevor die verderbliche Kugel sie getroffen hat. Dabei passieren oft komische Missverständnisse, und es ist schon nicht selten vorgekommen, dass ein treibender Baumstamm oder ein zusammengeballter Büschel Seetang, ja selbst ein eigenthümlich geformter Stein auf einer Sandbank aus der Ferne fälschlich für ein Seehund gehalten wurde und mancher Kugel als Zielpunkt dienen musste, bis der Irrthum endlich sich aufklärte." 

 Das Anpirschen 

Die eigentliche Seehundsjagd, wie sie von erfahrenen Seehundsjägern ausgeübt wurde, betrieb man von den Sandbänken aus. Dazu ein alter Bericht: "Etwa mit halber Ebbe steigt er (der Seehundsjäger) in sein Boot und segelt nun in den ihm so wohlbekannten Balgen den Sandbänken zu, wo der Seehund so gerne rastet und sich sonnt. Hat er mit seinem Glas die Robben erspäht, so nähert er sich mit seinem Boote geräuschlos der Sandbank, steigt hier in möglichst weiter Entfernung von der ersehnten Jagdbeute aus und marschiert nun vorsichtig und möglichst gegen den Wind mit seiner Büchse auf die noch ahnungslos lagernden Seehunde los". "Ist er bis auf wenige hundert Meter herangekommen, so sucht er den Seehund über seine Anwesenheit zu täuschen, indem er durch tiefes Rumpfbeugen während des Gehens den Oberkörper auf- und niederbewegt. Endlich legt er sich leise nieder und beobachtet eine Zeitlang die vor ihm liegenden Tiere. So einen Seehundsjäger muss man gesehen haben, beschreiben lässt er sich kaum. Bekleidet ist er mit einem alten, vielfarbigen, geflickten und befleckten Anzug von Ölzeug; auf dem Kopfe trägt er eine Kapuze, die kaum das Gesicht frei lässt, die Beine stecken in langen Seestiefeln oder bleiben ganz barfuß. Manchmal macht er die abenteuerlichsten Sprünge und Bewegungen, ahmt in jeder Weise einem Seehund nach". Die Badegäste, (früher wurden die auf den Inseln ankommenden Personen u.a. im "Amtsblatt für die Provinz Ostfriesland" namentlich festgehalten) auch viele Kaufleute aus Ostfriesland, die auf Seehundsjagd gehen wollten, wurden von den Einheimischen gründlich auf die Robbenjagd vorbereitet. 

Besonders das »Huxen« (Nachahmen der Bewegungen der Seehunde) musste erlernt werden. Durch Nachahmung der Vorwärtsbewegung des Seehundes auf dem Sande (Anziehen der Beine und Vorwärtsbewegung auf den auswärts gestellten Händen) musste sich der Jäger nun bis auf Schussweite anschleichen. "Ein Kopfschuss allein ist tödlich. Ist das Tier verletzt, aber noch bewegungsfähig, so läuft der Jäger schnell hinzu und tötet es mit einem Schlag seines Bootshakens. Der erlegte Seehund wurde zumeist gleich abgehäutet, eine Arbeit, die ein erfahrener Jäger schnell besorgen konnte. Die dicke Speckschicht ließ man an der Haut und löste sie erst zu Hause ab, um daraus Tran zu kochen". Oftmals waren aber auch alle Mühen vergeblich; denn auf den Sandbänken befindliche Vögel, die sich vom heranschleichen der Seehundsjäger nicht täuschen ließen, verscheuchten mit ihren Warnrufen und der gleichzeitigen Flucht auch die Seehunde. So blieb die Jagd oft ergebnislos. 

  In Jägerkreisen war Juist mit seinen umliegenden Sandbänken für den außerordentlich hohen Bestand an Seehunden bekannt. Aber auch von den anderen Inseln aus wurde Seehundjagd betrieben. Die Zahl der Badegäste auf den Inseln wuchs von Jahr zu Jahr und die Robbenjagd wurde, besonders für die Kurgäste, ein beliebter Freizeitsport. So schrieb ein Kurgast 1869: "Es gelang mir, mit einem Dreyseschen Zündnadelgewehr einen Seehund auf wenigstens neunzig Schritt zu treffen. Augenblicklich ließ er den Kopf sinken und trieb platt oben auf. Die Seehunde verenden fast augenblicklich, wenn auch nur ein einziges Schrotkorn an der richtigen Stelle trifft". . . 

Verwertung der Felle 

Wie bedeutend die Seehundjagd früher war, belegen Zahlen, nachdem jährlich 1000 bis 1200 Robben von der Emsmündung bis nach Sylt zur Strecke gebracht wurden. Das Fell der Tiere wurde von den meisten Badegästen als Trophäe mit nach Hause genommen. Viele Felle dienten dort als Bettvorleger. Manchmal wurden die Tiere auch ausgestopft oder man ließ das Fell gerben. Mitte des 19.Jahrhunderts wurden Seehundsfelle auch von der Hannoverschen Regierung zu Überzügen für Tornister der Infanterie angekauft. Pro Fell wurden damals 12 ½ bis 15 Groschen bezahlt. Seehundsfelle kamen aber auch in den Handel und man machte aus ihnen u.a. kleine "Rolltaschen" (sogenannte Rubben) für Kautabak und dergleichen. Aus einem Seehund durchschnittlicher Größe gewann man ca. acht Liter Tran. Aber auch die Leber wurde gekocht und gegessen, sie soll wie Rindsleber schmecken. . 

Geschützte Tiere 

In den vergangenen 100 Jahren sind Zehntausende der Tiere erschossen oder mit dem Knüppel erschlagen worden. Man kann davon ausgehen, dass die getöteten Tiere ausschließlich Jungtiere waren, weil sie gegenüber den Jägern unerfahren sind und außerdem das beste Fell haben. Selbst die Jäger erkannten, dass die Zahl der Seehunde so gering geworden war, dass ein Aussterben zu befürchten war. So verboten sie 1970 die Jagd auf Seehunde. Jedoch beschloss man im Jahr 1972 den "Hegeabschuß"; dabei durften nur offensichtlich kranke und sehr alte Tiere erlegt werden. Hierzu waren auch "Gastjäger" unter der Führung von "Seehundjagdführern" aus dem Binnenland zugelassen. Seit 1973 jedoch ist der Seehund vor der niedersächsischen Küste total geschützt. Der Bestand hat sich bis heute erholt, auch nach dem "Seehundsterben" im Jahre 1988. . 

Die Seehunde (phoca vitulina) ... 

... gehören innerhalb der Unter-Ordnung der Robben (Pinnipedia) zur Familie der Hundsrobben (Phocidae). Die große Verbreitung der Art Seehund hat zu einer Aufspaltung in verschiedene, voneinander isolierte Populationen geführt, für die zum Teil nur ein wissenschaftlicher Name existiert. 

Seehunde sind Bewohner der eisfreien Küstengewässer auf der Nordhalbkugel. In Flussmündungen, auf Sandbänken, an Kies- und flachen Felsstränden fühlen sie sich wohl. Die Männchen sind nach sieben Jahren bei einer Länge von 1,5 bis 1,8 m ausgewachsen. Die etwas kleineren Weibchen erreichen ihre volle Größe von 1,2 bis 1,5 m bereits im fünften Lebensjahr. Selten übersteigt das Gewicht 100 kg. 

Die Farbe der Robben ist sehr variabel. Auf weißgrauem bis dunkel-braungrauem Grund sind verschieden große, meist dunkle Flecken verteilt. Auch kleine Ringmuster treten auf. Im Wasser schwimmend sieht man vom Seehund nur den rundlichen Kopf mit den V-förmig angeordneten Nasenlöchern. 

Wie bei allen Hundsrobben sind bei ihm die Flossen selbst auf der Unterseite mit Fell bedeckt. Seehunde schwimmen meist einzeln umher, während sie an Land oft kleine Gruppen bilden, jedoch ohne sozialen Zusammenhang. So bringen auch die Weibchen in der Deutschen Bucht von Ende Juni bis Mitte Juli ihre Jungen allein zur Welt. Sie wählen dabei in der Regel eine bei Ebbe trockenfallende Sandbank aus. 

Das etwa 85 cm große und 11 bis 12 kg schwere Neugeborene hat sein weißes, langhaariges Embryonalfell bereits im Uterus abgestreift und kann mit seinem kurzhaarigen Adultfell beim einsetzen der Flut seiner Mutter folgen. Die Stillzeit dauert bis zu sechs Wochen. 

Nach drei bis sechs Jahren bei den Männchen und zwei bis fünf Jahren bei den Weibchen sind Seehunde geschlechtsreif. Ihr Höchstalter liegt bei ungefähr 40 Jahren. Von Mitte August bis Mitte September erfolgt der Haarwechsel, und danach beginnt Ende September die Paarungszeit. Die sonst eher ruhigen Tiere planschen dabei lauthals im Wasser herum. 

Die Tragzeit beträgt ca. 10,5 bis 11 Monate. Seehunde sind typische Fischfresser, nur die Robbenbabys ernähren sich zuerst von Garnelen. Bisher hat man 29 Beutearten ermittelt. Darunter sind Plattfische, Heringe, Aale, Meergrundeln und Dorsche. Aber auch Kopffüßer und Muscheln werden nicht verachtet. Durch Biotopzerstörung und Vergiftung der Umwelt werden wir Menschen dem Seehund gefährlich.  

. © A. Schmidt 2000

 

Quellen: 

 

Liebe Besucher meiner Homepage,
sollten Sie auf diesen Seiten etwas gefunden haben, was Ihren Ausarbeitungen auf der UNI,
privat oder beruflich weiterhilft, würde ich mich zu einer Spende, die Sie per paypal überweisen
können, sehr freuen. Jeder noch so kleinste Betrag kommt dem Heft "FLUKE" zu Gute.
Da die Finanzierung dieses Heftes aus privater Tasche erfolgt, danke ich für jede Spende.
Im Laufe des Bestehens dieser Seiten, habe ich unzählige Anfragen zu den genannten Themen
erhalten und teilweise mit viel Aufwand (Kopien anfertigen, suchen in der Literatur usw.) erledigt.
Meine entstandenen Portokosten sind mir von ca. 60% aller Anfragen nicht ersetzt worden aber immerhin ein "Danke" erreichte mich von ca. 70% aller Anfragen.  Das ist zwar meiner Motivation 
nicht gerade förderlich, trotzdem glaube ich weiterhin an das Gute im Menschen und stehe auch in Zukunft mit Rat zur Verfügung, sofern es mein Wissen und meine Literatur zulassen.
Hier kommen Sie zur
PayPal  - Startseite
 
PayPal-Empfänger:
alfred@schmidt-fluke.de